Die „Rapper aus Massachusetts“-Wikipedia-Liste hat 20 Einträge, alle männlich, fast keiner lebt noch dort. Trotz seiner Nähe zu New York ist der Bay State alles andere als ein Hotspot für HipHop. Richtet man dann den Blick noch ein wenig inländisch und weg von Boston, blickt man auf ein fast vollkommen unbeschriebenes Blatt. Dabei köchelt gerade im vernebelten Hinterland eine Künstlerin ein außergewöhnliches Süppchen, das besser zum verregneten Küstenstaat passt als die mittlerweile auch Boston dominierende Trap-Welle.
In Shutesbury, 57 Kilometer außerhalb von Springfield, ist Rebekah Cohen-Corbett aka Bekah CC aufgewachsen. Läuft man durch die Straßen der Vorstadt, sieht man US-Flaggen, verlassene Wohnwagen, Graffiti, endlose Wälder und ein rostiges Kinderkarussell vor dem Supermarkt: Es ist eine Kleinstadt wie jede andere und gerade deshalb der perfekte Backdrop für „No Change”, das erste Musikvideo der Rapperin.
Zusammen mit ihren Freunden zieht sie darin nachts um die Häuser, kifft, trinkt, blödelt herum. Dazwischen Bilder von Rotlicht-gefluteten Rücksitzen und erdrückender Einsamkeit. Es sind Aufnahmen wie aus einem Larry Clarke-Film. Hört man etwas genauer hin, erschließt sich der abgründige Inhalt und die Bilder ergeben Sinn. „Shea car full of heads / need a Rogaine / needle full of dope pain / doesn’t know his last name yet”, rappt Bekah müde, während sie in die Kamera lächelt. Es ist ein gleichermaßen eingängiger wie aufreibender Coming Of Age-Song über Abhängigkeit, fest eingeschnürt im Sound-Korsett des Horrorcore.
Ein Stil, den man auch in der Kunst der Amerikanerin wiederfindet. Die Malereien, die sie auf ihrem Instagram-Profil präsentiert, zieren traurige Gesichter, surreale Schemen und alptraumhafte Verfremdungen. Dabei beschränkt sich ihr musikalisches Interesse nicht nur auf das Schreckliche und Düstere: Schon lange vor dem Release ihrer Debüt-Single, die ihr einen Vertrag beim Indie-Label Bonesoda beschert, veröffentlicht Bekah Coverversionen auf Soundcloud. Neuaufnahmen von 21 Savages „Out 4 The Night” oder Fiona Apples „Parting Gift” zeugen von einem breit gefächerten Musikgeschmack, der sich mit ihrer zweiten hypnotischen Single „Sigh” auch in ihrem eigenen Schaffen niederschlägt.
Fernab jeglicher klischeebehafteter, edgy Horror-Ästhetik präsentiert sich Bekah CC als wahrer Outsider, die gerade dabei ist, ihre eigene Nische zu finden. Eine Nische, die ihrer Heimat angemessen scheint. Denn auch wenn sie das verschlafene Nest aus dem „No Change”-Video schon lange hinter sich gelassen hat, so atmet ihre Musik immer noch die Tristesse des Hinterlandes. Sie vermittelt einen Vibe, den man im HipHop so nur selten zu hören bekommt, obwohl ihn, nicht nur in Massachusetts, viele tagtäglich am eigenen Leib erfahren.