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Sister Nancy

Sister Nancy

Um sich ideal auf das nachfolgende Künstlerinnen-Portrait vorzubereiten, gibt es vorab eine kleine interaktive Aufgabe: Wer den Song „Bam Bam“ von Sister Nancy nicht sofort aus dem Kopf mitsingen kann, sollte sich diesen Track vorher noch einmal zu Gemüte führen. „Bam Bam“ ist nicht nur der erfolgreichste Song der jamaikanischen Dancehall-Sängerin – es ist auch einer der meist gesampelten und gecoverten Tracks im Bereich Reggae und Dancehall. Ob Lauryn HillKanye West oder Jay-Z: Die Stars und Sternchen der Musikindustrie lieben Sister Nancy – und wir zeigen euch, warum.

Sister Nancy wird im Januar 1962 als Ophlin Russell-Myers in Kingston, der Hauptstadt Jamaikas, geboren. Als eines von 15 Geschwisterkindern mangelt es ihr nicht an unterschiedlichsten musikalischen Einflüssen, ganz im Gegenteil – einer ihrer Brüder, Brigadier Jerry, wählt ebenfalls den Karriereweg des Musikers. Bereits als Teenagerin probiert sich Sister Nancy selbst aus und erlernt eigenhändig das DJing. In folge ihrer ersten Studiosession im Jahr 1980 veröffentlicht sie ihre erste Single „Papa Dean“ und landet damit einen nationalen Erfolg. Als erste weibliche Dancehall-DJ und Sängerin spielt sie auf dem Reggae Sunsplash, dem damals größten Reggae-Festival der Welt. Der internationalen Karriere steht somit nichts mehr im Weg. Mit Artists wie Angie Angel, Jonny Osbourne oder Yellowman veröffentlicht sie in kürzester Zeit unzählige EPs und Singles, bis 1982 – also erst zwei Jahre nach der Debüt-Single – ihr erstes Album „One, Two“ folgt. Darauf enthalten: „Bam Bam„.

Aus heutiger Sicht auf diesen international bekannten Track könnte man denken, dass in Jamaika ab 1982 kein anderer Song in der Öffentlichkeit gespielt wird. Dass Sister Nancy ausversehen einen Welthit produziert hat, bemerkt sie allerdings erst 1998, als sie mit Kind und Ehepartner schon ein Leben in New Jersey als Bankkauffrau führt:

[…] 1998 when I was in my living room and watching the TV, I saw it in the movie Belly. […] That’s how I know it was a big tune. I start to get a lot of work because of „Bam Bam“ and the movie them see it inna. When me go places people nuh call me Nancy anymore, them just say „Ms. Bam Bam“, and it just a spread […] then I knew how big „Bam Bam“ is.“

– Sister Nancy im Interview mit Redbull Music Academy

Es liegt unter anderem am Produzenten des Tracks, dass Sister Nancy erst durch einen Zufall erfährt, wie berühmt sie und ihr Song eigentlich sind. Ohne falsche Behauptungen aufstellen zu wollen, liegt der Gedanke nahe, dass es Gründe gibt, warum man als Produzent mit Rechten an einem Release versucht, den Erfolg vor der Interpretin geheim zu halten. „Hey, du hast übrigens einen Welthit gemacht“, klingt zumindest nach einer Aussage, die man nicht aus Versehen unter den Tisch fallen lässt.

Trotz der Verwendung ihres Hits „Bam Bam“ in diversen anderen Songs, Filmen, Serien und Werbespots erhält Sister Nancy kein Geld. In Zeiten, in denen das Musik-Vervielfältigungsrecht besonderes im internationalen Kontext noch nicht vollends ausgearbeitet war, erhält sie nur für die wenigsten Verwendungen ihres Werkes Tantiemen und anderweitige Bezahlungen. Je nach Quelle lassen sich unterschiedliche Angaben finden, doch es ist davon auszugehen, dass Sister Nancy vor den 2000er Jahren keinen einzigen Cent für ihre Arbeit bekommt. Auch wenn Wertschätzung finanzielle Entlohnung nicht ersetzen kann, so blickt sie trotzdem zufrieden auf das, was sie erschaffen hat:

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When I head Kanye West […] [sampled] it I just thought: Well, that’s good for me. […] It keeps me moving. […] Then Jay-Z did the same thing. It’s a blessing.“

– Sister Nancy im Interview mit okayplayer

Ganz egal ist ihr die Sache mit der Entlohnung und ihren Eigentumsrechten dann aber doch nicht. 2014 hört Sister Nancy ihren Song erneut in einer TV-Werbung, als sie beschließt, nun endlich Konsequenzen zu ziehen. In Zusammenarbeit mit einem Anwalt erkämpft sie sich 50% der Eigentumsrechte sowie die Einnahmen der Jahre 2004 bis 2014. Dass ihr Produzent und das Label, an das er die Rechte verkauft hatte, vermutlich das vielfache ihres Einkommens mit diesem Song verdient haben, steht außer Frage, doch ein kleines bisschen Gerechtigkeit ist immer noch besser, als gar keine.

Durch die finanziellen Einnahmen, die sie sich 2014 erkämpft, kann Sister Nancy ihren Job kündigen und sich wieder auf ein Leben als Musikerin konzentrieren. Nahezu wöchentlich steht sie auf der Bühne und performt ihre Songs – auch jene, die nach 1982 erscheinen. In den 2000er Jahren veröffentlicht Sister Nancy einen Remix ihres Welthits und weitere Alben – an den Erfolg der Original-Version von „Bam Bam“ kommt aber kein künftiges Release mehr heran. Ironischerweise erhält sie 2007, im Veröffentlichungsjahr ihres dritten Studioalbums, sogar eine neue Preisauszeichnung für ihren Hit von 1982. Den Titel als „Ms. Bam Bam“ wird sie wohl so schnell nicht wieder los.

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