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Cleotrapa

Cleotrapa

Statt als Rapperin haben diese Frau hier weitaus mehr Menschen als Social Media-Influencerin auf dem Schirm. Manch andere würde sich darüber ärgern, nicht so Cleotrapa. „Ich bin eine vielseitig begabte Queen“, grinst sie im Off The Porch-Interview. „Ich will einfach alles machen.“ Sie ist überzeugt: Würde sie sich voll und ganz aufs Musikmachen konzentrieren, sie würde durch die Decke gehen.

Hier sehen wir bereits: An Selbstbewusstsein mangelt es Cleo nicht. Das Überraschendste an ihrer sehr von sich eingenommenen Attitüde – und damit wahrscheinlich ein großer Teil ihres Erfolgsgeheimnisses: Cleotrapa kommt dabei kein Stück eingebildet oder abgehoben rüber, sondern lustig, sympathisch und authentisch. Sie hat eben einfach tatsächlich viele Talente.

Zunächst einmal hat sie aber nigerianische Eltern. Genau genommen: Sie hat eine Mutter. Der Vater verpisst sich schon relativ bald wieder nach Afrika. „Ich habe ihn nicht gesehen, seit ich ungefähr drei war“, so Cleotrapa, die seitdem nur sporadisch Kontakt mit ihrem Erzeuger hat. Den Respekt dafür, sie in Staten Island großgezogen zu haben, zollt sie zu 100 Prozent ihrer Mutter. „Meine Mom hatte immer einen Plan, und sie hatte auch einen Plan für mich“, erinnert sie sich. „Sie war sehr streng, und ich habe lange alles gemacht, was sie sagte. Ich war eine gute Tochter.“

Dass Cleotrapa schon als Kind gerne im Mittelpunkt stand, mit Freude Schauspielerin geworden wäre, Entertainerin oder ihres Faibles für Fashion wegen Modedesignerin, spielt in den gestrengen Augen der Mama keine Rolle. Sie soll „etwas Richtiges“ lernen. Krankenschwester soll sie werden, damit ließe sich der Lebensunterhalt krisenfest bestreiten. Cleotrapa gehorcht, geht ans College, belegt auch entsprechende Kurse, stellt aber schnell fest: Das kann es nicht sein. Nicht für sie. Sie bricht die Schule ab und tut, wozu sie sich berufen fühlt: Sie sucht sich ein Publikum.

„Ich habe immer meine Meinung gesagt“, erklärt sie. Ein Ventil dafür findet sie auf Twitter. „Irgendwann habe ich festgestellt, dass ich zu manchen Themen ein bisschen mehr zu sagen habe, also hab‘ ich angefangen, Videos zu machen.“ Tweets und Videos führen zu Kommentaren, die fallen nicht immer freundlich aus. „Ungefähr zur gleichen Zeit, als das mit den Videos losging, habe ich meinen ersten Song aufgenommen. Ich hatte eine Menge durchgemacht und wollte einfach einen Disstrack machen.“ Das Resultat, „Letter To My Haters“, wirkt wahrlich nicht wie ein Debüt:

Yepp, das ist ohne jeden Zweifel eine MC. Allerdings eine, die sich zunächst noch als Influencerin tarnt. Sie plädiert dafür, die eigenen Stärken zu entdecken und zu entfalten, verhandelt öffentlich ihre eigenen Erfahrungen, als Mobbing-Opfer oder von Rassismus, sie gibt Dating-Ratschläge, und beantwortet auch sonst Fragen jeglicher Art. „Als ich jünger war, hätte ich mir eine Person wie mich gewünscht“, erklärt sie. „Ich will für junge Mädchen jemand sein, wie ich selbst gerne jemanden gehabt hätte: eine Art große Schwester, die ich alles fragen kann.“ Mit diesem Konzept wird Cleotrapa schnell so erfolgreich, dass ihre Mutter die Nerverei, wann sie denn an die Schule zurückzukehren gedenke, irgendwann einstellt.

Was die Musik betrifft, hat Cleotrapa allerdings Blut geleckt: „Das hat so Spaß gemacht, ich wollte einfach mehr davon. Ich wollte es zumindest versuchen.“ Die richtigen Inspirationsquellen bringt sie ohnehin mit: „Nummer eins ist Nicki, klar.“ Darüber hinaus nennt sie aber auch Drake und Kanye West, die City Girls und Doja Cat und auch jede Menge außerhalb von HipHop, fragt man sie nach ihren musikalischen Vorbildern. Aus allem, das ihr gefällt, bastelt sie sich ihren eigenen Sound zusammen: „Ich mische gerne Rock mit Drill“, erklärt sie gegenüber Hypebae. Dazu verpasst sie ihren Songs allerdings gerne noch einen unerwarteten Twist, girly, nostalgisch oder beides. „Es ist hart, macht aber immer noch Spaß.“ So entstehen Tracks wie „Rockstar“ – mit einem Hannah Montana-Sample:

„Mein Sound speist sich aus meinen Erfahrungen. Was ich durchgemacht habe, wo ich stehe, wohin ich gehe: All das bringt Energie, Style und Persönlichkeit in meine Arbeit.“ All das bleibt obendrein nicht unbemerkt: Cleotrapa arbeitet unter anderem mit Trinidad James zusammen, und mit Ice Spice. Bei letzterer taucht sie im Video zu „In Ha Mood“ auf, die beiden wirken ganz dicke miteinander, Ice Spice nimmt Cleotrapa sogar in letzter Minute noch mit als Support-Act auf ihre „Y2K!“-Tour.

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Das allerdings entpuppt sich als schlechte Idee, danach ist es mit der Freundschaft nämlich vorbei. Viel mehr entspinnt sich zwischen Cleotrapa und Ice Spice ein öffentlich ausgetragener Zwist. Befeuert hat ihn Baby Storme, die sich mit Ice Spice ebenfalls in die Wolle bekommen hat. Sie erklärt, die Freundschaft der beiden Kolleginnen sei „fake“, Ice Spice benutze Cleotrapa lediglich als Token, um sich „closer to Blackness“ zu positionieren. Cleotrapa ihrerseits packt in einer ganzen Serie von TikTok-Videos aus, wie sie sich auf Tour mit Ice Spice gefühlt und wie sie von der Kollegin behandelt worden sei. (Spoiler: schlecht.) Die Beschuldigte wiederum nennt Cleotrapa undankbar und macht fortan öffentlich Witze über sie.

Cleotrapa jedoch strickt auch aus dieser Erfahrung einen Rat für ihre Follower:innenschaft: „Kapiert, dass niemand dafür sorgen sollte, dass ihr euch unterlegen oder wie Scheiße fühlt, ganz egal, was diese Person euch für eine Möglichkeit geboten hat. Es ebnet niemandem den Weg, schlecht gemacht oder als minderwertig dargestellt zu werden.“ Female Empowerment bleibt trotz dieser unschönen Episode ein Haupt-Anliegen Cleotrapas: „Viele Leute glauben, wenn man jemanden auf den Schirm bringt, nimmt man sich selbst etwas weg“, sagt sie gegenüber wepluggoodmusic.com. „Ich sehe das anders: Wenn du wirklich ein girl’s girl bist, dann hast du kein Problem damit, das nächste Girl zu pushen.“ Amen!

… und noch etwas gehört Cleotrapas Meinung nach gepusht, respektive niedergetrampelt: einengende Erwartungshaltungen. „Die Leute denken, ich sollte über das übliche Zeug rappen,’pussy, ni**as, shaking my ass, ni**as ain’t shit — ni**a, ni**a, ni**a, pussy, pussy pussy, ass, ass, ass.‘ Das ist, was die Leute von mir hören wollen, Tatsache. Sie wollen, dass ich das normale, gewöhnliche Zeug erzähle, das normale Schwarze female MCs halt so machen, und sie sind empört, wenn ich ihnen das nicht gebe. Ich muss aber einen Scheiß. Mir ist egal, was irgendjemand von mir erwartet, I don’t give a fuck. Ich mach‘, was ich will, und wenn ich über einen verdammten Miley Cyrus/Hannah Montana-Beat rappen will, dann kann ich das machen. Ich kann machen, was ich will (…) Erwartet das Unerwartete, jedes Mal. Ich werde euch nämlich niemals geben was ihr wollt. Ich mache, was ich will und wann ich es will.“

Ja, so simpel kann es sein.

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