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Cortisa Star

Cortisa Star

Ihr sucht einen lebenden Beweis dafür, dass sich Erfolg herbei-witzeln lässt? Bitteschön, trefft Cortisa Star. Ihre raketengleich abgehobene Karriere startet mit einem Gag: In einem Social Media-Posting bezeichnet sie sich 2022 als „underground rap princess“ – obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch keine einzige Zeile gerappt hat. Ihrer Follower:innenschaft kommt die Vorstellung von Cortisa am Mic aber offenbar kein Stück abwegig vor. Nach reichlich positivem Feedback beschließt sie, es einfach einmal zu versuchen. Im Februar 2024 veröffentlicht sie ihre ersten beiden Singles „Cortisa Crump“ und „Fun“. Letztere trendet bei TikTok, und als sie im Dezember desselben Jahres „Bad ASF“ nachlegt, bekommt auch die Twitter-Bubble Wind von der unkonventionellen Künstlerin. Das Video zu „Fun“ geht bei YouTube durch die Decke, Charli XCX und Producerin Loraine James bekommen Wind von der jungen Kollegin und verleihen ihrem Wohlgefallen Ausdruck. Spätestens jetzt gilt Cortisa Star als der brandheiße Scheiß der Stunde.

Zwei Jahre nach dem Spässchen von der Untergrund-Rapprinzessin ist Cortisa Star wirklich eine. Wobei man über „Untergrund“ durchaus diskutieren darf: Zwar umfasst ihre Diskografie zu diesem Zeitpunkt gerade einmal elf Tracks. Dafür verbucht Cortisa bereits Lob von Music-Biz-Größen wie Arca, Doechii oder Lil Nas X. Unisono preisen sie Cortisa Stars postmodernen Sound, in dem bis zur Schmerzgrenze aufgedrehte Bässe, Hyperpop und Drill absurde Ringelreihen tanzen. Die Inspiration dafür bezieht Cortisa Star aus einer Cartoon-Serie. Eine Szene aus Adventure Time, in der Jake the Dog mit einem Käfer tanzt, liefert ihr die musikalische Blaupause:

Wer jetzt denkt, Cortisa Star fliege alles einfach nur so zu: nö. Bis sie den Punkt erreicht hat, an dem sie sich – wie in ihrer Selbstbeschreibung bei Spotify – mit Fug und Recht „Rapper – Model – Diva“ nennen darf, hat sie einen langen Weg zurückgelegt, der über weite Strecken beileibe kein leichter war. Geboren wurde sie am 11. Juli 2005 in Baltimore, aufgewachsen allerdings ist sie zusammen mit drei Schwestern in einem Kaff in Delaware. „Sussex County, keine Sau weiß, wo das ist“, sagt sie dem Interview Magazine. „Es ist eine absolute Einöde.“

Cortisa spielt Tuba in verschiedenen Schulbands und flieht, wenn sie nicht gerade Musik macht, in ihre Fantasiewelten – und ins Internet. Offline zu sein: wenig verlockend für eine Jugendliche, die schon bald entdeckt, nicht im richtigen Körper geboren worden zu sein. Cortisa, die damals noch anders heißt, wird so heftig gemobbt, dass sie irgendwann nicht mehr kann. Sie bricht die Schule ab, lässt alles hinter sich und zieht nach Baltimore. Mit verschiedenen Jobs hält sich Cortisa über Wasser, dabei kennt sie keine Zimperlichkeiten: Sie arbeitet in der Eisdiele, auf dem Fischmarkt, in einem Hotel, backt Pizza oder steht bei McDonald’s an der Friteuse, bis der Hirnfurz von der Rap-Karriere Wirklichkeit wird.

Dass ihre Videos auch heftige Hate-Kommentare einsammeln, juckt Cortisa Star null. Zum einen, so sagt sie, bekomme sie zehnmal so viele freundliche Reaktionen wie Schmähungen. Zum anderen:

Ich wurde so heftig schikaniert, deswegen trifft mich, was im Internet steht, gar nicht mehr. In der Schule haben sie mir, als ich mich hinsetzen wollte, den Stuhl unter dem Arsch weggezogen, so dass ich auf den Boden gefallen bin. Solche Sachen. Es war wirklich nicht gerade der Disney Channel […] Ich konnte nicht länger unter diesen Leuten bleiben. Alles war rassistisch und brutal. Deswegen scheiß‘ ich auf sie alle.“

Cortisa Star im Interview Magazine

Sie könne ganz gut ignorieren, was Hater:innen über sie schreiben, so Cortisa. „Ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen, wo sie mich nicht gerade gefeiert haben. Dort hatte ich solche Reaktionen andauernd. Das ist nichts Neues für mich.“ Ihr ultimativer Rat: „So ein Telefon lässt sich ausschalten. Du kannst es einfach ausmachen und rausgehen.“ Zusammen mit ihrem Hund Zuko, zum Beispiel.

Viel mehr Leute, als jene, die sich an der jungen trans Frau mit der hellen Haut abarbeiten, lassen sich aber von ihrer Kreativität und ihrer brachialen Ehrlichkeit beeindrucken. Bei Disk Agency attestieren sie ihr „ungeschliffenes Talent und furchtlose Authentizität“, die Berliner Festspiele preisen ihre Tracks als „eine Momentaufnahme ihrer Generation, zwischen Empowerment, Überforderung und maximaler Online-Kompetenz. Sie handeln von sozialen Ungleichheiten, persönlichen Widerständen und digitalen Alltagsrealitäten.“

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Moment … Berlin? Aber, ja: Cortisa Star hat inzwischen auch internationale Auftritte. Zudem gab sie bei der Fashion Week in Paris für Miu Miu ihr Laufsteg-Debüt, eine Erfahrung, die sie in ihrem Song „Paris“ einfließen ließ:

Am meisten genießt Cortisa Star aber ihre Liveauftritte. „Das macht so viel Spaß“, sagt sie. „Ich dreh‘ durch, wenn alle anfangen zu schreien. Die Crowd zu kontrollieren, ist das absolut Beste an der Sache. Ich sage: ‚Jetzt tanzen gefälligst alle!‘, und die Leute fangen an zu tanzen. Es ist wie ‚All hail Plankton!'“

Also alles erreicht? Noch nicht ganz: Auch nach ihrer ersten EP „E.M.O.“ (kurz für „Evil Motion Overload“) und zahlreichen Likes von arrivierten Kolleg:innen hat Cortisa Star noch offene Wünsche. Ein Feature mit Rico Nasty zum Beispiel („Als sie mir auf TikTok folgte, bin ich fast durchgedreht!“), und auch ein anderes Projekt steht noch aus: „Ich muss mich mit Twigs treffen, um ihr zu sagen, dass wir ‚Transexua‘ machen müssen.“ Ja, bitte! Bis das Gestalt annimmt, bleiben wir „Dramatic“:

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