Wer sich ein wenig mit der spanischen Rapperin Albany beschäftigt kommt um die Bezeichnung „Stimme des traurigen Trap” nicht herum. Doch das Albany auch anders kann, beweist sie mit ihrem kürzlich erschienenen Album “xXx”. Dieses kommt deutlich schneller und experimenteller daher als das übliche Albany-Repertoire.
Bei all der Weiterentwicklung und des sich noch Findens bleibt Albany, bürgerlich Alba Casas, sich selbst immer treu – gibt sich stets ehrlich und natürlich. Nichts an ihr scheint Pose oder Fake zu sein. Wenn sie beispielsweise über Drogen redet, dann weil die in Gerona geborene Künstlerin als Kind beobachtet hat, was Abhängigkeit bedeutet. Wenn sie über Sexismus und häusliche Gewalt spricht, dann weil sie mit ihrer Mutter vor deren Partner nach Granada fliehen musste. Wenn sie über mentale Gesundheit rappt, dann weil sie selbst unter Depressionen litt. Derartige politischen Themen offen und klar zu thematisieren, sieht Albany als ihre Hauptaufgabe als Musikerin mit einer jungen Hörer:innenschaft – und fordert dies auch selbstbewusst von anderen Künstler:innen ein.
“Meine Lebensphilosophie beinhaltet, über diese Dinge zu sprechen: die Wahrheiten und alltäglichen Gefühle zu reflektieren, die uns passieren. Das Innerste eines jeden. Wir Menschen sind verschieden, aber wir durchleben die gleichen Gefühle.“
Original: “Mi filosofía de vida incluye hablar de esas cosas: reflejar las verdades y sentimientos cotidianos que nos pasan. Lo más íntimo de cada uno. Las personas somos diferentes, pero atravesamos por los mismos sentimientos.”
– Interview mit Vogue
So handelt beispielsweise der Song “No estoy bien” auf ihrem Album “Se Trata de Mi” (2021) davon, wie es ihr während der Pandemie ging:
“Ya no encuentro la salida
Porque no existe la salida
No sé dónde ir, no sé qué comprar
Si tendré dinero o no, también me da igual
Porque yo lo único que quiero es ser feli’”Lyrics “No estoy bien”
“Ich finde den Ausgang nicht mehr
Weil es keinen Ausweg gibt
Ich weiss nicht, wohin ich gehen soll, ich weiss nicht, was ich kaufen soll
Ob ich Geld habe oder nicht, ist mir auch egal
Denn ich will nur glücklich sein“
Albanys klares Ziel: erfolgreich zu sein, ohne ein Image aufsetzen zu müssen. Wie sie das schafft? Mit Lyrics, die gleichermaßen Leichtigkeit wie auch Emotionalität und Verwundbarkeit bedienen ohne dabei die Schmerzen und Traumata der Realität zu umgehen. “Ich glaube, was beim Musikmachen funktioniert, ist sich nicht bedrängen zu lassen, ruhig zu bleiben, in dem Tempo zu arbeiten, wie man will und vor allem, sich frei zu fühlen in dieser Industrie, auch wenn es schwierig ist. Sonst macht es keinen Sinn, Kunst zu machen”, beschreibt Albany ihren Arbeitsprozess in einem Interview mit el Diario.
Ein Jahr nach ihrem Album “Se Trata de Mi” erscheint 2022 die Platte „xXx“. Auf der LP präsentiert sich das junge Rap-Talent einmal mehr mit der von ihr gewohnten Natürlichkeit und Direktheit. Wie schon das letzte stellt auch das neue Album ein Selbstporträt dar – mit dem Unterschied, dass “xXx” in einer virtuellen Realität spielt, in der Albany selbst die Protagonistin ist. Wer jetzt denkt, dass ein Album in japanischer Videospiel-Ästhetik nicht wirklich zur eben noch beschriebenen Natürlichkeit der Rapperin passt, hat sich geirrt. Das Album reiht sich mit völliger Kohärenz in die bisherigen Albany-Releases ein. Trotz der nach oben geregelten Geschwindigkeiten bleibt Albany ihrem melancholischen Sound treu, der immer wieder zwischen den Glitch-, Rage- und Hyperpop- Samples aufblitzt. Albany schafft es wieder einmal mit Feature-Parts von Rojuu und Clutchill, die bedeutenden Artists der sogenannten Sad-Trap-Szene auf ihrem Album zu vereinen.
Ihr Label Ladradora, das im Übrigen nur Frauen unter Vertrag nimmt, beschreibt “xXx” als “un disco que lo cambia todo” – also ein Album, das alles verändert. Was jetzt noch kommen mag, bleibt also spannend.
“Y voy a morirme rica, pero con los pies en el suelo
Lyrics „Ice„
Yo no cambio por fama, me gusta estar en la cama”
“Und ich werde reich sterben, aber mit den Füssen auf dem Boden
Ich ändere mich nicht wegen Ruhm, ich liege gern im Bett“