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Kelly Rose / Uzi Freyja

Kelly Rose / Uzi Freyja

Uzi Freyja? Klar, dass ein solcher Name erst einmal Fragen aufwirft. „Die soll mal schon Stuntman5 beantworten“, schiebt Frontfrau Kelly Rose die Verantwortung ihrem Produzenten zu. „Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten wir ‚Princess Samsung‘ geheißen“, plaudert sie im Interview mit Maze aus. Gegenüber arte Tracks zieht sie sich den Schuh dann aber doch an: „‚Uzi‘ bezieht sich auf meinen Flow, auf die extrem starke Musik“, erklärt sie die Referenz auf eine israelische Maschinenpistole. „Freya ist die skandinavische Göttin der Sexualität, der Sinnlichkeit und der Liebe, und ich finde: Das bin beides ich.“

Zweifellos ist Kelly Rose treibende Kraft hinter dem Projekt Uzi Freyja, und zugleich das Gesicht des Trios, zu dem neben ihr und Stuntman5 noch ein zweiter Produzent, Foton Danger, gehört. Kelly ist in Kamerun geboren und aufgewachsen. Mit zwölf Jahren kommt sie nach Frankreich, lebt zunächst in Nantes, ehe sie später nach Paris übersiedelt. Eine leichte Kindheit scheint sie nicht gehabt zu haben: Ihre Texte erzählen von „mommy and daddy issues“, sie selbst spricht von physischem, psychischem und sexuellem Missbrauch. „Nicht über diese Dinge zu reden, ist das Schlimmste“, glaubt sie. „Wenn niemand darüber spricht, denkst du, du bist der einzige Mensch auf der Welt, der so etwas erleben musste.“ Deswegen geht Kelly offen mit ihren Verletzungen um: „Meine Eltern haben mir nie gesagt, dass sie mich lieb haben oder dass sie stolz auf mich sind“, erklärt sie zwischen zwei Songs von der Bühne herab. Wenn auch keine Förderung, so haben Kellys Eltern ihr doch wenigstens Talent mitgegeben: Ihre Mutter, die als Sängerin Konzerte in Kirchen gab, habe zwar nie mit ihr zusammen gesungen, ihr aber doch die Liebe zu Musik und Tanz offenbart.

Mit zehn oder elf Jahren entdeckt Kelly, dass es neben Kirchenliedern und Gospel und den Videos von Tina Turner, zu denen sie, fasziniert von der Stimme der großen Kollegin, selbst zu performen übt, noch ganz andere Sachen gibt: Rap und HipHop brechen über ihre Welt herein. Eminem und Snoop Dogg, besonders dessen Track „Drop It Like It’s Hot“, treten die Türen ein, mit Nicki Minaj und Missy Elliott folgen die ersten Rapperinnen. „Danach kamen E.V.E., MC Lyte, Queen Latifah, Lil‘ Kim. Ich war 14 oder 15 und dachte mir: Woah, da gibt es ja ganz schön viele.“ Inzwischen in Frankreich angekommen, vergräbt sie sich mehr und mehr in ihre neue Passion. „Es hat mich einfach fasziniert, dass es da eine Möglichkeit gibt, sich mit Worten auszudrücken und, ja, sich dabei auch noch zu amüsieren“, sagt sie.

Im Jahr 2019 muss sie den Status der passiven Zuhörerin längst hinter sich gelassen haben. Zumindest hatte sie genug geübt, um bei einer Open Mic-Session während der Fete de la Musique in Nantes auf offener Straße einen Freestyle zu droppen. Stuntman5 erinnert sich: „Sie griff das Mic und haute alle um. Ich fragte sie nach ihrer Nummer, und am selben Abend begannen wir, zusammen zu arbeiten.“ Foton Danger komplettiert das Trio, gemeinsam legen sie los – und werden sofort wieder ausgebremst: Covid-19 zieht der Welt erst einmal den Stecker. „Außerdem bin ich dann nach Paris gegangen“, so Kelly. „What’sApp wurde bald unser bester Freund.“ Weder die Seuche noch die räumliche Distanz halten aber auf, was sich da Bahn zu brechen beginnt: Uzi Freyja veröffentlichen ein erstes Projekt und ziehen damit schon 2021 einen Deal beim Label Warriorrecords an Land. „Alles ging rasend schnell“, so Kelly. Der ersten EP „Stand“ folgen im Jahr 2022 reichlich Live-Auftritte in Clubs und auf Festivals und außerdem gleich die nächste EP „Lunacy“: „Auf der ersten EP wollten wir zeigen, was wir machen, und auf der zweiten wollten wir etwas anderes machen.“

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Doch was machen sie nun eigentlich? Der Sound von Uzi Freyja passt wahrlich in keine Schublade, er braucht einen ganzen Schrank. Die Selbstbeschreibung auf Bandcamp wirft „hiphop vocals, punk fury and experimental electronic structures“ in den Ring, garniert mit Charisma und Power. Einen ganz guten Eindruck davon, was man tatsächlich geboten bekommt, vermitteln die Acts, die Kelly Rose gegenüber La Face B als Inspirationsquellen aufführt: Kendrick Lamar und Lil‘ Kim treffen wir da, aber auch Tina Turner, My Bloody Valentine und Clipping. Wenn man sich eine Mischung als alldem zusammenhalluziniert, kommt man ziemlich nah dran, an den Sound von Uzi Freyja – auch wenn der natürlich trotzdem wieder ganz anders klingt. Größtenteils auf Englisch rappt Kelly Rose übrigens, weil sie sich in dieser Sprache wohler fühlt. „Wenn ich alles, was ich da sage, auf Französisch sagen würde, bekäme ich gleich wieder zu hören, ich sei vulgär“, zeigt sie sich sicher.

Aus ihrer feministischen Grundhaltung macht Kelly Rose keinen Hehl, auch nicht aus ihrer Pansexualität: Sie setzt sich für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung ein. „Als Frau in der Musikwelt hast du es schwer. Als Frau in der Rapwelt hast du es schwer. Als queere, Schwarze Frau in der Rapwelt … ich habe manchmal das Gefühl, ich erfülle wirklich jedes Klischee, damit sie mich steinigen können“, so die MC. Dabei ist ihr die Kluft zwischen ihrer Erscheinung und ihrem Innenleben durchaus bewusst: „Auf Leute, die mich nicht kennen, wirke ich wie eine starke Person, jederzeit bereit, dem erstbesten auf’s Maul zu hauen.“ Dass hinter dieser Fassade aber ein verletzlicher Mensch steckt, offenbart spätestens ihr Debüt „Bhelize Don’t Cry“, das im Januar 2025 erscheint. Als zwölf Briefe an ihr verletztes inneres Kind beschreibt Kelly das Album. „Ich wollte immer über meine Gefühle sprechen, wusste aber nicht, wie“, erklärt sie. „Dann fiel mir ein, dass ich einfach das kleine verletzte Mädchen umarmen könnte, das ich einmal war.“ Musik als Therapie? Zumindest ein bisschen, dennoch: „Ich gebe keine Ratschläge“, betont Kelly Rose. „Ich erzähle meine Geschichte.“

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