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Imke Machura im Interview

Imke Machura im Interview

Mit der Gründung ihrer Firma Raketerei hat Imke Machura eine „Räuberleiter für Musikerinnen“ geschaffen: Die Tausendsasserin coacht, organisiert Events, podcastet und bloggt – alles für, mit und über Frauen*, die professionell Musik machen. In ihrer Raketerei-Community lernen Musikerinnen aus allen Genres mit- und voneinander, wie sie sich eine erfolgreiche Karriere in der Musikindustrie aufbauen können. Dadurch ist Imke extrem nah dran an den aktuellen Problemen und Sorgen weiblicher Musik-Acts angesichts der Corona-Krise. Wir haben mit ihr über die Herausforderungen, aber auch über die Chancen der aktuellen Situation gesprochen.

Imke, bitte gib mir doch ein kurzes Stimmungsbild: Wie geht es deinen Künstlerinnen angesichts der Corona-Krise?

Ich finde es spannend zu beobachten, wie bei mir in der Facebook-Gruppe derzeit kommuniziert wird. Schon als die ersten Corona-Infos hochpoppten war eine gewisse Panikstimmung zu spüren. Es wurde viel geteilt zum Thema, was die Ausbreitung des Virus für Künstlerinnen und Künstler und die ganze Musikbranche bedeutet. Nach dieser ersten Welle haben die ersten Musikerinnen zum Ausdruck gebracht, dass sie finanzielle Angst haben, weil sie keine Ersparnisse besitzen oder Ihr gesamtes Geld in einer aktuellen Album-Produktion steckt, die jetzt gerade pausiert, weil niemand so richtig weiß, wie es weiter geht. Es gibt aber auch ein Lager von Künstlerinnen, die diese freie Zeit, die sie plötzlich haben, nutzen, um sich fortzubilden, mal auszuschlafen und sich wieder mehr um sich und ihre Kreativität zu kümmern. Inzwischen habe ich den Eindruck, dass viele Künstlerinnen inhaltlich gesättigt sind und anfangen, sich zurück zu ziehen. Ich denke, dass sie dies tun, um sich zu sortieren und zu überlegen, wie es jetzt überhaupt weitergehen kann.

Wo siehst du die größten Herausforderungen und Probleme für Musikerinnen aufgrund der Corona-Pandemie? Und wo sehen deine Künstlerinnen die größten Probleme?

Die größte Herausforderung sehen die Künstlerinnen gerade alle beim einbrechenden Umsatz. Viele in meiner Community leben von den Einnahmen aus ihren Konzerten. Wenn jetzt bis Ende April die Musikveranstaltungen abgesagt werden, gibt’s erstmal sechs Wochen lang kein Geld. Und was die Sache so schlimm macht, ist, dass wir ja noch gar nicht wissen, wie es Ende April weiter geht. Möglicherweise erreichen wir den Höhepunkt der Pandemie erst im Juli oder August. Wenn ich mir überlege, dass Künstlerinnen so lange kein Einkommen haben, verstehe ich, warum viele um ihre Existenz bangen. Eine große Anzahl der Konzerte kann ja auch nicht nachgeholt werden. Das ist eine weitere Herausforderung. Hier kommt es auf die Vorlaufzeit der Veranstalter*innen an. Die beträgt manchmal zwei Monate, manchmal mehr als ein Jahr. Sobald die Organisator*innen ihre Türen wieder öffnen dürfen, werden sie die Veranstaltungen abhalten, die ab dann gebucht sind. Die vorher abgesagten wird man gar nicht alle nachholen können. Booking an sich ist in der heutigen Zeit kein leichtes Geschäft. In meiner Community haben viele Musikerinnen einen Booking-Rhythmus gefunden und es dadurch endlich geschafft, bei bestimmten Veranstalter*innen den Fuß in die Tür zu bekommen. Es haben Gespräche und erste Verhandlungen stattgefunden. Jetzt wird diese Tür einfach wieder zugeworfen, weil das Kulturleben gerade so brach liegt. Es wird nochmal ein Vielfaches an Energie kosten, diese Türen wieder zu öffnen. Es ist ja auch gar nicht klar, inwieweit diese Eventunternehmen oder Locations überhaupt bestehen bleiben können. Womöglich haben wir nach der Krise ein großes Clubsterben. Meine Befürchtung ist, dass die Corona-Krise in der Musikindustrie eher wie ein Schluckauf wahrgenommen wird. Dabei kennen wir diese Art der Pandemie, diese alles infrage stellende Herausforderung in der Musikbranche. Vor einigen Jahren hieß diese eben nicht Corona, sondern Digitalisierung. In meiner Wahrnehmung haben Künstler*innen nach der Digitalisierung in unserer Branche einfach noch mehr und härter gearbeitet haben, um finanziell wieder auf ein Level zu kommen wie zu Zeiten, als die CD noch im Fokus stand. An den Strukturen selbst hat sich aber nichts verändert. Ich wünsche mir so sehr, dass diese Pandemie auch innerhalb der Musikindustrie dazu genutzt wird, zu überdenken, wie man sich krisenfest aufstellen kann.

Hast du einen besonderen Rat oder Tipp für Musiker*innen in dieser Situation?

Wenn ich mit Künstlerinnen zusammenarbeite, versuche ich ihnen immer eine etwas andere Perspektive aufzuzeigen. Ich möchte ihnen klar machen, dass sie sich zuerst eine finanzielle Basis schaffen sollten, ein passives Einkommen. Als nächstes gilt es, eine persönliche Fanbase aufzubauen. Erst im dritten Schritt sollten sie über eine Musikproduktion und -veröffentlichung nachdenken. Wenn Künstlerinnen bereits eine Fanbase mitbringen, machen sie sich automatisch attraktiver für Veranstalter*innen, denn eine große Anhängerschar hinter der Künstlerin garantiert ein volles Haus. Deshalb wünsche ich mir, dass die Kunst-Akteur*innen ihre eigenen Strukturen überdenken und aufbauen. Sie machen sich damit nicht allein davon abhängig, auf der Bühne zu stehen und Musik zu machen. Denn Geld in der Musikbranche zu verdienen, ist seit der Digitalisierung einfach eine Mischkalkulation geworden. Es ist nicht ausschließlich der Verkauf von CDs, es sind nicht mehr nur die Konzerte. Durch das Internet haben sich ganz viele Möglichkeiten ergeben, wie man mit seiner Musik noch Geld verdienen kann. Die werden meines Erachtens in der Musikbranche noch gar nicht genug ausgeschöpft

Gibt es kreative Lösungsansätze unter den Musikerinnen in deiner Community, auf die Situation zu reagieren?

Ich finde es toll, zu beobachten, wie die Situation in vielen einen starken Aktionismus weckt. Auf Facebook und Twitter beobachte ich, dass manche Künstlerinnen anfangen, Konzerte zu streamen. Das ist eine schöne Entwicklung. Allerdings wünschte ich, dass ab einem gewissen Punkt Bezahlschranken kommen, damit da auch Geld verdient wird. Künstlerinnen, die an Hochschulen und Universitäten lehren, beginnen, ihre Kurse online zu stellen oder Ihre Noten online zu verkaufen. Das ist ein wahnsinniger Mehrwert für die Fans. Man kann seinem Idol nicht näher sein, als wenn man die Noten von dieser Person selber zum Beispiel am Klavier nachspielt. Ich hoffe, dass es in den nächsten Wochen noch mehr kreative Ideen geben wird.

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Was sind deine Wünsche an Politik und Behörden im Umgang mit der Krise?

Ich wünsche mir von der Politik und den Behörden, dass Künstlerinnen nicht übersehen werden und nicht nur die großen Unternehmen finanziell bedacht werden. Es sollte ebenfalls an jene gedacht werden, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen und oftmals Konzerte geben, die „auf Hut“ laufen. Für solche Auftritte ohne feste Gage gibt es ja oft keine vertragliche Grundlage. Hier muss eine Möglichkeit geschaffen werden, dass diese Menschen nicht leer ausgehen. Unabhängig davon wünsche ich mir, dass die künstlerische Ausbildung besser an die Lebensrealität von Kulturschaffenden angepasst wird. Die Studierenden an den Hochschulen und Universitäten im Fach Musik trainieren ihr Können am Instrument oder ihre Stimme bis zur Virtuosität. Wünschenswert wären zusätzliche Kenntnisse über Selbstvermarktung und wirtschaftliche Strukturen, damit Musikerinnen mehr darüber wissen, wie sie sich in so einer Krise verhalten können. Ich rate allen Künstlerinnen, das Konzert nicht als einzige Einnahmequelle wahrzunehmen, sondern sich wirklich zu überlegen, über welche Kanäle sonst Geld verdient werden kann. Musikerinnen müssen anfangen, unternehmerisch zu denken.

Mehr Input von Imke findet ihr unter anderem in ihrem Raketerei-Podcast:

Bild: Annemone Taake | Transkript: Petra Herbst

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