Zwischen allen Stühlen sitzt es sich manchmal gar nicht so unbequem. Wer, wie Honny, unentwegt einen Spagat zwischen zwei Kulturen vollführt, passt ohnehin nicht auf ein herkömmliches Sitzmöbel. Die Künstlerin, die sich gleichzeitig „Straight Outta Tanger“ und wie ’ne richtige Kölsche Mädche fühlt (und letzteres, obwohl sie in Bergisch Gladbach geboren wurde), beugt sich ohnehin keinem binären Entweder-Oder. Sie weigert sich in vielerlei Hinsicht schlicht, sich zu entscheiden, und verbindet stattdessen alles miteinander, das sie bewegt oder flasht.
Musik spielt im Leben von Samia Haddad schon früh eine Rolle. Kaum dass sie laufen kann, tanzt sie auch schon: eine Leidenschaft, die sie über die Jahre begleiten soll. Aaliyah weckt ihre Liebe zum Gesang, Lil‘ Kim und Tupac infizieren sie mit dem Rap-Virus. Nur zuhören genügt ihr allerdings nicht lange: Samia, die sich bald Honny rufen lässt, greift selbst zum Mikrofon. Rap oder Gesang? Wieso „oder“? „Mir macht beides Spaß“, erklärt Honny. Ähnlich aufgeschlossen gibt sie sich, was die Sprache betrifft: Wohl der, die die freie Wahl hat! Deutsch, Französisch und Arabisch sind Honny gleichermaßen geläufig. Für ihre Texte verwendet sie entsprechend, was den jeweiligen Vibe gerade am besten einfängt.
Was ihren Sound betrifft, sieht es ähnlich aus: R&B und HipHop mit der Prägung der 1990er und 2000er Jahre haben in Honnys Songs unüberhörbar Spuren hinterlassen. Sie flechtet zudem immer wieder orientalische Klänge ein, was ihren Tracks mehr als nur einen Hauch von Marokko verpasst. Kein Wunder: Honnys komplette Familie stammt aus Tanger, sie selbst verbringt nahezu alle ihre Ferien in der wuseligen, von Kultur und Nachtleben durchdrungenen Hafenstadt, die sie für die schönste Stadt der Welt hält. Köln schafft es in ihrem Ranking immer noch auf Platz eins der schönsten Städte Deutschlands. Es scheint tatsächlich zu stimmen, was der kleine Prinz einst sagte: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Honnys Herz schlägt jedenfalls so stark für die Domstadt, dass sie ihre Release-Karriere mit einem Representer-Track für Köln eröffnet. „CGN“, bitteschön:
An ihrer Verbundenheit mit Marokko ändert das nichts. Immer wieder kollaboriert Honny mit marokkanischen Künstler:innen. Nachdem 2023 ein Erdbeben verheerende Schäden in dem nordafrikanischen Land hinterließ, veröffentlicht sie zum Beispiel zusammen mit dem in Belgien lebenden marokkanischen Kollegen Chaspii den Charity-Song „Ya Bladi“. Alle Einnahmen kommen den Opfern der Naturkatastrophe zugute:
Als überaus nützlich erweist sich hier, dass Honny sich via Social Media über die Jahre in Marokko wie in Deutschland eine riesige Fangemeinde aufgebaut hat, und auch in den USA bleiben ihre TikTok-Videos und Instagram-Reels nicht unbeachtet. Den Tag, an dem Lil‘ Kim einen Clip repostet, in dem Honny zu einem ihrer Tracks tanzt, dürfte letztere so schnell wohl nicht wieder vergessen. Ein besseres Omen für die Veröffentlichung ihres Debüts im Frühjahr 2024 hätte sich die junge Künstlerin kaum wünschen können. Sie selbst bezeichnet es als eine „Selbstfindungsreise“, welchen Titel das Album tragen musste, lag auf der Hand. Es heißt so, wie Honny im Kern ihres Wesens eben ist: „Straight Outta Tanger“.