[…] Ekelerregende Locken akzeptieren keine Unterdrückung […].“– Lyrics „Travequeiro“ (Original: „[…]Travas enjoadas não aceitam opressão […]“.)
Schon der ikonische Bandname Irmãs de Pau, der auf Deutsch soviel wie ‚Stockschwestern‘ oder freier übersetzt ‚Schwanzschwestern‘ bedeutet, macht deutlich: Hier nimmt niemand ein Blatt vor den Mund. Mit Glamour, Humor und nackter Haut sagt das Funk-Duo unterdrückenden Strukturen den Kampf an.
Die Vita von Isma Almeida und Vita Pereira, die zusammen das Duo Irmãs de Pau bilden, bestimmen emanzipatorische Kämpfe. Denn als trans* Personen in Brasilien fighten Isma und Vita nicht nur um Anerkennung und Repräsentation, sondern ums nackte Überleben. Brasilien verzeichnet die höchsten Mordrate an trans* Personen. Transfeindlichkeit gehört in Brasilien sowie fast überall auf der Welt zur bitteren Realität. Besonders während der Regierungszeit des kürzlich abgewählten faschistischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro, nahmen Angriffe und Morddrohungen gegen LGBTQIA+-Personen in Brasilien deutlich zu.
Unser Kriegsname ist Schwanz-Schwestern, denn wir wissen, dass wir in einem Krieg leben.“
– Irmãs de Pau in Universa (Original: „Nosso nome de guerra é Irmãs de Pau, porque entendemos que vivemos em uma guerra“)
Den Alltag von trans* Personen in Brasilien bezeichnen Irmãs de Pau gegenüber der Medienplattform Universa als gegen sie geführten Krieg. Doch ihre Antwort heißt Widerstand. Dabei agieren die Brasilianer:innen nicht alleine. In Zusammenarbeit mit Künstler:innen wie Linn da Quebrada, Jup do Bairro oder BADSISTA entsteht eine progressive Funkeira-Bewegung, die durch Musik, Performance, Fotografie oder Fernsehen den öffentlichen Diskurs zu „Gender und Queerness“ in einen selbstbestimmten Diskurs transformiert.
Obwohl die Freundschaft zwischen Isma und Vita bereits seit vielen Jahre besteht, hatten sie erst während der Corona-Pandemie Gelegenheit, ein gemeinsames musikalisches Projekt auf die Beine zu stellen. 2021 erscheint mit „Travequiero“ der erste im Studio produzierte Track. Auf der Suche nach Produzent:innen zeigt die Musik-Szene ihre transphobe Fratze, wie sie dem Magazin Cultura Preta erzählen. So lehnt ein namenhafter Funk-DJ die Zusammenarbeit mit Irmãs de Pau ab, aus Angst, seiner Karriere zu schaden – nicht nur menschlich sondern auch wirtschaftlich ein großer Fehler. Denn „Travequiero“ samt dazugehörigen Video geht viral und entwickelt sich zu einem Hit.
Wenig später erscheint das erste Albumdebüt „Dotadas“. Dort versammeln Irmãs de Pau eine Vielzahl politischer und selbstermächtigender Schätze. So zum Beispiel das Jup do Bairro und BADSISTA Feature „Hermanas“, eine genreübergreifende Hymne auf eine kämpferische Schwesternschaft.
Brasilianischer Funk bildet den roten Faden durch das unverwechselbare Sound-Konzept aus Dancehall, Carioca, Techno und Trap. Die expliziten Texte tragen Isma und Vita weniger gerappt als viel eher im Sprechgesang vor. Poetisch thematisieren sie den Alltag von trans* Personen und erschaffen einen Rahmen, indem sie aktiv ihre Erfahrungen mitteilen und ihre Wut kanalisieren können.
Du hast dich mit den Transvestiten angelegt und jetzt wirst du dich selbst ficken!“
– Lyrics „Travequiero“ (Original: „Mexeu com as travesti e agora tu vai se fuder!“)
Irmãs de Pau vereinen Dancefloor-Banger mit selbstermächtigender Kunst. Die vielseitig talentierten Künstler:innen spüren der Ballroom-Kultur nach und schaffen es der Fetischisierung ihrer Körper entgegenzutreten, indem sie diese gezielt einsetzen. Gebt Isma und Vita die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.