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Mrs M

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Machen wir uns nichts vor: Denkt man an die Mongolei, kommen einem als erstes verklärte Bilder von wilden Pferden, einer unbeschreiblichen Weite und Nomaden-Hütten in den Kopf. Das mag auch alles seine Berechtigung haben und zum Teil auf das Land zutreffen, dass fast viereinhalbmal so groß wie Deutschland ist. Aber natürlich ist die Mongolei mehr als das. Mit drei Millionen Einwohner:innen ist die Mongolei einer der am dünnsten besiedelten Staaten der Welt. Mehr als die Hälfte der Menschen leben in der Hauptstadt Ulaanbaatar. Und wenn wir eine Sache im Sachkundeunterricht gelernt haben, dann, dass urbane Räume in der Regel prädestiniert für moderne, subkulturelle und experimentelle Strömungen sind. Insofern verwundert es kaum, dass Ulaanbaatars lokale HipHop- und Rap-Szene ein Melting Pot der globalen Popkultur darstellt. Vor allem in den letzten Jahren bringt die hiesige Szene mehr und mehr künstlerische Schätze hervor. Wir empfehlen an dieser Stelle wärmsten in die außerordentlich gut sortierte Playlist „The Sound of Mongolian HipHop“ reinzuhören. Neben Tracks von relevanten Szenegrößen wie den Rappern Thunderz, AM-C, FLA oder der fabelhaften „Queen of Mongolian HipHop“ Gennie, stolpert man nicht ohne Grund direkt beim ersten Track über die vielversprechende Rapperin Mrs M – hier in Kollaboration mit dem „Trap King of Mongolia“ Ginjin auf dem Track „Boroo“.
Tatsächlich gilt Tamir »Tami« Enkhtuul aka Mrs M als aufstrebender Stern der mongolischen Rap-Szene, deren Fan-Community mittlerweile weit über die mongolischen Grenzen bis nach China und in den angloamerikanischen Raum reicht.

Im Jahr 1993 geboren, wächst Mrs M in der schnelllebigen und schnell wachsenden Atmosphäre der Hauptstadt Ulaanbaatar auf. Nach dem Zerfall der Sowjetunion Ende der 1980er Jahre geht es in dem Staat vor allem um nationalen Wachstum. Mit der neu gewonnenen Demokratie und Marktwirtschaft versucht die Regierung, mit dem dominierenden Westen mitzuhalten und sich der westlichen (Pop)-Kultur anzuschließen. 

Künstler:innen wie Mrs M oder auch ihr enger Freund, Rapper und vielfacher Kollaborationspartner Ginjin repräsentieren diesen Zeitgeist in ihrer Musik auf perfekte Weise. Auf der einen Seite zeigen sie sich cool und lässig mit Statussymbolen wie Autos und Geld in prunkvoller Umgebung und demonstrieren, dass die mongolische Gesellschaft der restlichen Welt in nichts nachsteht. Auf der anderen Seite nutzt diese junge Generation Rap als Ausdrucksmittel, um auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam zu machen:

Hip Hop got huge here because rappers tell the truth, and pop music doesn’t really do that. So, when the Soviets left Mongolia there was a power vacuum, and those early rappers were some of the only people who spoke openly and criticized the political landscape and everything else. So people really listened to it and came to love it. Since those early days it has changed a lot – the beatmakers and rappers all got better, still usually following the trends of US Hip Hop, but with very Mongolian features.“

Mrs M im Interview mit LIFTED

Ihren ersten Song veröffentlicht Mrs M 2015 als Featuregast auf der R&B-Nummer „Tsor Gants“ von Lil Thug-E. Nur ein Jahr später folgt bereits ihr Debütalbum „Gentleman“ mit der Trap-Hit-Single „Bang“, die es direkt auf Platz Eins der mongolischen Charts schafft. Retrospektiv erweist sich die Platte als wahrer Türöffner für Mrs Ms weitere Karriere: Das in Hongkong ansässige Label B2 Music wird auf die junge Künstlerin aufmerksam und nimmt den Track im Mai 2018 auf ihr Compilation-Album „Vibe Presents: Urban Asia Vol. 1“ auf.

Nur wenig später schafft sie es mit ihrer Single „Tasty“ auf die zweite Ausgabe der Compilation. Der Track ist der erste englischsprachige Song eines/r mongolischen Rap-Künstler:in und erregt dementsprechend viel Aufmerksamkeit – national wie international. So wird unter anderem der New Yorker Produzent Harry Fraud – bekannt durch seine Arbeit mit Artists wie French Montana, Wiz Khalifa oder The Weeknd – auf das Nachwuchstalent aufmerksam und lädt sie kurzerhand zu sich nach Brooklyn ein. Im Studio arbeiten Mrs M und Fraud an Songs wie „M For The Money“ oder „Sugar Daddy„. Für die Zukunft sind weitere Kollaborationen zwischen der MC und dem Producer geplant, doch versetzt Corona Anfang 2020 die Zusammenarbeit in eine Zwangspause.
Mrs M nutzt jedoch die Zeit, bis sie wieder in die Staaten reisen kann, und fokussiert sich wieder verstärkt darauf, Tracks auf Mongolisch zusammen mit Ginjin zu schreiben. Und was soll man sagen? Die beiden Künstler:innen sind einfach Hitmaschinen, hört man in Tracks wie „Suvgaa Soli“, „Biye Daa“, „ATM“ oder ihre jüngste Single „Lovetrack #004“ rein.

Die 28-Jährige weiß um die Besonderheit ihres bisherigen Werdegangs und der internationalen Aufmerksamkeit, die ihr als asiatische HipHop-Künstlerin zuteil geworden ist. Uns bleibt zu hoffen, dass die internationale Musikindustrie endlich erkennt, wie viele großartige Talente in Ländern wie der Mongolei nur darauf warten, entdeckt zu werden – wohlbemerkt natürlich ohne sich großartig an den angloamerikanischen dominierten Raum anpassen zu müssen!

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