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Bad Gyal

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Eigentlich sollte dieses Porträt vor allem aus einer wunderbaren Konzert-Review bestehen. Davon berichten, wie Bad Gyal bei bestem Wetter das spanische Primavera abreißt, quer über die riesige Bühne twerkt und Fans aus aller Welt mit ihrem Set begeistert. Zumindest hatte ich mir das so vorgestellt, als ich die spanische Trap-Queen in voller Euphorie über die frische Bestätigung auf dem Festival, für das ich eigentlich diesen Sommer nach Barcelona reisen wollte, in unserer monatlichen Redaktionssitzung für eben diesen Text vorschlug. Lange vor dem Verfassen dieser Zeilen war allerdings klar, dass das so, wie ich mir alles ausgemalt hatte, nichts wird. Ihr wisst es alle bereits: Das Corona-Virus machte uns einen Strich durch sämtliche Festival-Planungen. Natürlich soll alles 2021 nachgeholt werden, Bad Gyals Porträt verschieben wir aber nicht um 365 Tage nach hinten. 

Aber Schluss mit diesem chronisch melancholischem Corona-Gejammere und zurück zu den wichtigen Dingen, genauer gesagt: zu Bad Gyal. Dass eine 19-Jährige aus einem kleinen Fischerort an der spanischen Küste mit einem Cover, das zudem noch in einer Sprache eingesungen wurde, die grade einmal acht Millionen Menschen sprechen, es zu weltweiter Medienaufmerksamkeit und Auftritten auf den wichtigsten Festivals des Landes bringt, klingt auch 2020 noch unrealistisch. Bad Gyal schaffte das bereits 2016 mit einer katalanischen Version von Rihannas Dancehall-Megahit „Work“. „Work“ wird dabei zu „Pai“, einem von Bad Gyal selbst erfundenen Slang-Begriff, der übersetzt „Geld“ bedeutet. Den Song nahm die Spanierin in ihrem Kinderzimmer in einer DIY-Booth aus Eierkartons auf. 

Als „Pai“ erschien, studierte Bad Gyal noch Mode-Design und arbeitete Nachtschichten in einem Call-Center. Mittlerweile hat sie beide Beschäftigungen an den Nagel gehängt, lebt in Barcelona und ist Vollzeit-Künstlerin. Die Kunstfigur Bad Gyal geht dabei weit über das Dasein als Rapperin hinaus. Ihr ausgeprägtes Interesse für internationale Mode-Trends, das während ihrer Teenager-Jahre in der Kleinstadt schon für unzählige gehobene Augenbrauen sorgte und schließlich auch in ihr Modedesign-Studium mündete, ist da natürlich die wichtigste Disziplin neben der Musik. Bereits in jungen Jahren schneiderte sie sich ihren Signature-Look zusammen, der – wie übrigens auch ihre Musik – ein breites Potpourri an Einflüssen aus allerlei Kulturen und Genres zusammenmischt. 

Musikalisch sieht das dann folgendermaßen aus: Mit etwa 15 Jahren entdeckt Alba Farelo, so heißt die Spanierin in Wirklichkeit, jamaikanischen Dancehall via Spotify. Zuvor tanzt sie auf Partys regelmäßig zu Reggaeton. Dabei fehlt ihr jedoch immer etwas. Und eben dieses gewisse Etwas entdeckt sie dann in der Musik von Künstler*innen wie Vybz Kartel oder Black Ryno. Als Rihanna dem zuvor eher nischenhaften Gerne dann zu weltweitem Gehör verhilft, ist auch für Bad Gyal klar, dass sie endlich gehört werden muss: Geboren ist die katalanische Trap-Queen, die mit dem Boys-Club der spanischen Trap-Szene jedoch nichts zu tun haben will.

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Für das engstirnige Subgenre ist sie eh viel zu eigen. Möchte man es sich an dieser Stelle einfach machen, so könnte man Bad Gyal wohl als spanische Haiyti bezeichnen. Aber auch dafür fahren sowohl Bad Gyal als auch die deutsche Trap-Queen viel zu sehr ihren speziellen Film. Natürlich sprengen beide mit ihrer Musik wie auch mit ihrem Auftreten jegliche Genres und Konventionen, aber da hören die Parallelen auch schon auf. Bad Gyal überzeugt sowohl auf von Autotune geschwängerten Balladen als auch mit knallharten Bangern. Ihre größte Waffe ist dabei die Fähigkeit, mit Sprachen zu spielen. Der Mix aus Katalan, Spanisch und Englisch wird teilweise so wild, dass Muttersprachler*innen aller drei angeführten Zungen unter ihren YouTube-Videos Kommentare à la „Keine Ahnung, was sie da singt, aber es klingt geil“ anhäufen. 

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