Machen wir uns nichts vor: Die italienische Rap-Szene bekleckert sich genauso wenig mit Ruhm, wenn es um Gleichberechtigung und Repräsentanz geht, wie unsere lokale Szene. Queens wie La Pina oder Posi ebneten in den 1990ern zwar den Weg für die nachfolgende Generation an fe:male MCs, aber auch Künstlerinnen wie Miss Simpatia oder die großartige Baby K hatten so ihre Schwierigkeiten, sich in der männerdominierten Musikwelt zu behaupten beziehungsweise in dieser akzeptiert zu werden.
Seit 2015/2016 ist jedoch glücklicherweise – ähnlich wie in Deutschland – auch in »bella Italia« ein Wandel zu vermerken. Während in den Jahren zuvor MCs wie Lady D, Fair, La Kost, Marti Stone, LeGal (heute solistisch als Wazzy), Doll Kill, Marteena, Nora oder Mc Nill eher nur mäßig die gebührende Aufmerksamkeit und Anerkennung erhalten haben, rollen neuerdings Künstlerinnen wie Priestess, Beba oder auch Eva Rea die Szene von hinten auf.
Insbesondere Eva Garozzo aka Eva Rea hat in den vergangenen fünf Jahren einen beachtlichen Weg von der einstigen X Factor Italia-Kandidatin zu „La Nicki Minaj italiana“ hingelegt. Ein Vergleich, der durchaus schlimmer ausfallen könnte, wenn ihr uns fragt. Tatsächlich kommt man jedoch kaum umhin, die Sizilianerin als das nächste große Rap-Talent der italienischen Szene zu betiteln.
Seit ihrer frühsten Kindheit saugt die 27-jährige Künstlerin HipHop-Kultur in all ihren Facetten auf und lebt diese: Ihre Mutter besaß damals ein Fitnessstudio, in dem im Hintergrund täglich die US-amerikanischen Klassiker von Snoop Dogg, Eminem und Missy Elliott rauf- und runterliefen. Evas damals entfachte Leidenschaft für Poesie und für Rap führt sie dazu, im Alter von 16 Jahren ihre ersten Rap-Texte zu schreiben.
Inspiriert in jungen Jahren von Nicki Minajs Line „If I had a dick, I would pull it out and piss on’em”, steht für Eva schon früh fest, dass sie in ihren Lyrics ebenso kein Blatt vor den Mund nehmen möchte. Sie schreibt daraufhin zahlreiche Texte und wendet sich 2013 an das Kollektiv BrickStudio, das in Sizilien seit Jahren im Bereich der Musikproduktion und Eventorganisation etabliert ist. Es folgen zahlreiche Konzerte, unter anderem mit bekannten Künstler:innen der italienischen Szene wie Club Dogo, Salmo, Rocco Hunt, Nitro, En?gma, MondoMarcio, Ensi, Entics, Two Fingerz. Nach Release der Singles „Non sai un cazzo“, „Disagio in Versi“ und „Pretty Girl Swag“ veröffentlicht Eva Rea ihre erste EP „Tabù“. Mit Tracks wie „Badman“ und „Farò Di Tutto“ versucht die junge MC, zur Enttabuisierung sexueller Themen beizutragen und sich für mehr Toleranz beziehungsweise weniger Bigotterie stark zu machen. Im Jahr 2016 bewirbt sich Eva Rea dann bei der zehnten Staffel von X-Factor Italia:
Faccio Hip Hop. Scrivo rime. E’ tutto cominciato come un hobby, senza uno scopo ben preciso. Poi alla fine è una passione che non ho mai smesso di coltivare ad oggi e dal momento che in Italia è diventato il genere più ascoltato ho pensato di presentarmi.”
„Ich mache Hip Hop. Ich schreibe Reime. Angefangen hat alles als Hobby, ohne einen bestimmten Zweck. Am Ende ist es eine Leidenschaft, die zu pflegen ich bis heute nie aufgehört habe, und da es das meist gehörte Genre in Italien geworden ist, habe ich beschlossen, mich vorzustellen.“
Über die Instrumentals des Songs „Scream & Shout“ von Will.i.am feat. Britney Spears spittet Eva vor den vier Juroren ihre Bars und reißt das zunächst skeptische Publikum auf ihre Seite: Zum ersten Mal in der Geschichte der Show gibt es Standing Ovations für eine Rap-Performance.
Bereits zum damaligen Zeitpunkt ist das deutliche Rap-Talent der jungen MC zu erkennen. So unverblümt und explizit ihre Bars daherkommen, so heftig ist auch der Flow, mit dem Eva Rea diese performt.
Wenngleich die Reise für Eva Rea bei X-Factor Italia nicht bis ins Finale reicht, beschert sie ihr doch den nötigen Schub und die Aufmerksamkeit, um daraufhin ihre Karriere weiter in Schwung zu bringen: 2018 veröffentlicht Eva die Singles „Rap Game“ und „Intimo“ sowie „Eleganza Zingara“. Kurze Zeit später folgen die Releases ihrer zweiten EP „RAP GAME: AGGRESSIVA“ (2019) sowie der dritten Platte „RAP GAME: REALITY“ (2020), mit denen Eva ihren Status in der Szene zementiert.
Wir sind gespannt, wohin es für Eva Rea noch so geht. Erst kürzlich ließ die Sizilianerin wieder mit einer ihrer beeindruckenden Live-Booth-Sessions sowie der Single „Diagnosi“ von sich hören. Wer weiß, ob da 2021 nicht noch mehr kommt. Wir würden uns auf jeden Fall freuen.