„Hip Hop’s Kid Sister“. „A Legend in the making”. “Toronto music legend”. Geht es um Keysha Freshh, finden HipHop-Medien ausschließlich wohlwollende bis enthusiastische Worte. Das ist kaum verwunderlich, überzeugt die kanadische Rapperin doch schon seit Teenagertagen mit Skills, Skills, Skills.
Keisha Fanfair kommt als 90s-Kid in Toronto zur Welt. Musik spielt bereits in frühster Kindheit eine tragende Rolle für sie. Mit nur fünf Jahren veröffentlicht sie ihren ersten Song mit dem Titel „Summer’s coming“. Ihre Cousine arbeitet als Sängerin und nimmt sie regelmäßig mit ins Studio, wo sie mit R&B und Rap beschallt wird. Mit elf Jahren schreibt sie erste Rap-Texte, die sie ein Jahr später auf der Bühne mit dem Toronto Children Concert Choir erstmals aufführt. Ihren ersten aufgenommenen Song als Rapperin nennt sie „Pardon my swag“ – eine Entschuldigung, die beim besten Willen nicht nötig gewesen wäre. Das sehen auch ihre Rap-Kollegen Doug E. Fresh und MIMS so, die im Musikvideo ihrer Debüt-Single „Hollywood Fresh“ einen Gastauftritt haben. Doug E. Fresh verpasst der Rapperin auch ihren Artistnamen: Keysha Freshh.
Mit dem Herzen in der Golden Era der 90er und mit dem Skillset straight in der Zukunft verhaftet: Keysha begeistert (nicht nur) die HipHop-Szene und geht als erste Female MC mit drei Songs zeitgleich in der kanadischen Radiorotation in die Geschichte ein. Sie teilt sich die Bühne mit allem, das Rang und Namen hat: Drake, Joey Bada$$, Snoop Dogg, MC Lyte, Miguel – die Liste nimmt kein Ende. Breite Bekanntheit erlangt die Rapperin aber vor allem als Teil der HipHop-Supergroup The Sorority mit Lex Leosis, pHoenix Pagliacci und Haviah Mighty. Seit einer gemeinsamen Cypher zum Weltfrauentag im Jahr 2016 kollaborieren die vier Artists on stage und im Studio, ehe sich 2019 die Wege trennen. Nicht nur ihr gemeinsames Album „Pledge“ (2018) ist ein Manifest des Female Empowerments im HipHop: Für ihre Musikvideos arbeitete die Crew zum Teil mit rein weiblichen Teams. Die Artists leben den gegenseitigen Support und das Pushen neuer Female Rap-Talente bis heute.
Als Solokünstlerin kann Keysha auf diverse Mixtapes, EP und Single-Releases sowie zwei Alben zurückblicken: „Field Trip“ erschien 2019 und ist das bis heute letzte größere Release der Künstlerin. Ihr Debütalbum „This is Keysha“ war zehn Jahre zuvor nur in den USA veröffentlicht worden. Dazu ist Keysha Freshh in zahlreichen Kollabos aktiv.
Doch auch seit 2019 war die MC nicht untätig: Im Interview mit Grungecake berichtet sie, sie habe sich zwar sehr um sich selbst gekümmert und viel reflektiert, aber vor allem auch an Songs für andere Artists geschrieben. Zudem hat sie gemeinsam mit DijahSB und Exmiranda ein gemeinsames Performancevideo für die Ausstellung „Women in HipHop“ aufgenommen. Diese war von April bis Juni 2021 als Teil des Myseum Intersections Festival in Toronto zu sehen und zeigte die Herstory von Frauen im HipHop. Für Keysha Freshh war die Beteiligung an dem Projekt ein No-Brainer:
It’s important for me to continue to push the boundaries of what a female [MC] looks like, and my lifelong commitment to this artform is to make sure that our women legends are never forgotten.”
Statement von Keysha Freshh zur “Women in HipHop“-Ausstellung (complex.com)
Grenzen zu verschieben und Wände zu durchbrechen bezieht Keysha aber nicht nur auf ihre Rolle als Frau in einer männlich dominierten Musikkultur. So thematisiert sie auf ihrer letzten Single „Hero“ zwar zunächst den Tod Nipsey Hussles, rappt im Anschluss aber vor allem über die psychischen Probleme, die sie umtreiben – und das in einer Aufrichtigkeit, die wir nur selten im Rap zu hören bekommen:
Long days it was days when I thought I wouldn’t make it
Keysha Freshh – „Hero“
A slave to the same shit that took Robin Williams”
Zugleich lässt sich Keysha Freshh nicht auf deepe Lyrics limitieren – auf ihren Social Media-Kanälen zelebriert sie nicht nur Musik, sondern auch Sneaker und Lippenpflegeprodukte. Damit zeigt sie, dass die Zeit eindimensionaler Artists längst vorbei ist.
