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La Chat

La Chat

Die 90er Jahre in Memphis sind eine wilde Zeit. Während sich HipHop aus Ost und West dank Akteuren wie Biggie, Nas und Tupac mehr und mehr als mainstreamtauglich erweist, und die Popkultur vereinnahmt, weht im dreckigen Süden ein anderer, rauerer Wind. Von glatt gebügelten BoomBap, oder Westcoast-Funk will in Tennessee niemand etwas wissen. Stattdessen braut sich eine kleine Gruppe von Rapper:innen ihr ganz eigenes diabolisches Hexengebräu zusammen, und legt damit den Grundstein für fast alles, was heute die Rap-Charts dominiert. Die Zutaten? Eine 808-Bass Machine, mörderische Lyrics, eiskalte Triplet-Flows und genug Lean, um einen Swimmingpool zu füllen. 

Fängt man nun an, dieser Szene Namen zuzuordnen, kommt man um das erweiterte Umfeld der Three 6 Mafia nicht drum herum. Auch La Chat wird von Juicy J, dem Godfather des Genres, bei einer Talentshow entdeckt, und steht lange beim Three 6-Label Hypnotize Minds unter Vertrag. Und auch nach ihrer Trennung von der Dirty South-Supergroup bleibt sie dem Sound ihrer Heimat treu. Bis heute. 

Doch von vorn: La Chat erblickt am 21. März 1978 als Chastity Daniels das Licht der Welt. Sie kommt also genau pünktlich, um mitzuerleben, wie HipHop sich erstmals als ernstzunehmendes Genre etabliert. Bereits in jungen Jahren zeigt sich Chastity von den Reimkünsten der New Yorker Rapperin MC Lyte beeindruckt. Aus Bewunderung wird schnell Inspiration, und so nimmt Daniels in der siebten Klasse erstmals selbst Stift und Papier in die Hand. Ihr erster Rap trägt den Namen “Peace In The Middle East” und begeisterte den Direktor ihrer Junior High so sehr, dass er ihn als Gedicht über den Schullautsprecher vorliest. “From that point on I thought I was a rapper”, erzählt sie in einem Interview. 

Es folgen vermehrt Auftritte bei Talentshows, wo sie als Imitation ihres Vorbilds MC Lyte auftritt und einen befreundeten Rapper so sehr von sich überzeugt, dass er Juicy J kontaktiert um ihn auf sie aufmerksam zu machen. Eins kommt zum anderen, und wenig später gehört La Chat, die damals noch die Schulbank drückt, zum Roaster der Three 6 Mafia. Ihr Auftritt auf dem Titeltrack des 1995 erschienen Albums “Mystic Stylez” markiert den Anfang ihres Durchbruchs, was unweigerlich dazu führt, dass man sie ständig mit Gangsta Boo, dem weiteren weiblichen Mitglied der Gruppe, vergleicht.

Das anfänglich familiäre Verhältnis der Gruppe zerbricht dann endgültig mit dem Release von La Chats Solo Debüt “Murder She Spoke” im Jahr 2001. Sie behauptet heute, nie Geld für die 250.000 verkauften Ableger gesehen zu haben. Auch für ihre Rolle im Film „Choices“ und ihr Feature auf Project Pats Platinum-Hit “Chickenhead” habe sie keine Vergütung erhalten. Nach mehreren ignorierten Anfragen bei den Hypnotize Minds-Labelchefs Juicy J und DJ Paul, schaltet sie ihren Anwalt ein, und fordert die Auflösung ihres Vertrags.

Die beiden Parteien gehen getrennte Wege, den Kontakt zu Juicy und Paul bricht La Chat komplett ab. Ihre Beziehung zur ehemaligen “Rivalin” Gangsta Boo hingegen, die sich kurz zuvor auch vom Label lossagte, erlebt nach der Trennung einen zweiten Frühling. “Once she left the label and I left the label we ended up being best of friends. We ended up seeing that we were different, but so much the same.”, erzählt sie dem SoManyShrimp-Podcast. 2014 veröffentlichen die beiden mit “Witch” sogar ein Kollabo-Album.

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Die Trennung von der Three 6 Mafia verleiht ihrer Karriere zwar kommerziell einen Dämpfer, aber an ihrer Artistik ändert es wenig. La Chats Energie und lyrische Ambivalenz, die “Murder She Spoke” zum Memphis-Klassiker machen, bringt sie auch auf den Nachfolgern “Dramatize” und “Bad Influence”. Es ist beeindruckend wie Chat es schafft, mühelos den mordlustigen, düsteren Memphis-Sound zu bedienen, aber auch mit Songs wie “Slob On My Cat”, der Juicy Js “Slob On My Knob” clever ummünzt, dem ganzen einen feministischen, und für die Zeit ziemlich radikalen, Anstrich verleiht. Auch die Introspektion, die sie auf Songs wie “Where Was U” zur Schau stellt, ist gerade für ihre Szene bis dato Neuland. 

Während sich fast alle ihrer ehemaligen Zeitgenoss:innen dem Wandel der Zeit hingegeben haben, und den LoFi-DIY-Ansatz, der Memphis-Rap in den 90ern zu grobkörnig und rau machte, hinter sich ließen, ist La Chat heute noch genauso im Untergrund zuhause wie damals. Und auch wenn der der große kommerzielle Erfolg nach wie vor ausbleibt, so weiß man in der Szene ihren Einfluss auf Memphis und den Süden zu schätzen, wo sie sich auf ewig den Rap-Thron mit Gangsta Boo teilen wird. Wenn die beiden im Laufe ihrer Karrieren nämlich eins gelernt haben, dann, dass es nichts bringt, sich gegeneinander aufspielen zu lassen. Besonders von Männern, die ihr Handwerk nicht mal annähernd so gut beherrschen wie sie selbst.

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