Stunna Girl träumt von der großen Karriere und hat sie dank eines TikTok-Hits auch schon einmal kurz zu spüren bekommen. Dabei muss die 22-jährige US-Amerikanerin aber auch viel Hass aushalten, der ihr aufgrund ihrer extrovertierten Art und außergewöhnlichen Stimme entgegen gebracht wird. Aufhalten lässt sie sich aber davon nicht. Als Frau, die bereits im Jugendalter im Gefängnis einsaß, hat sie schon Schlimmeres gesehen. Oder, um es in ihren Worten zu sagen:
Sleepin‘ on these cold floors made a bitch cold.“
Stunna Girl wurde 1999 mit dem bürgerlichen Namen Suzanne in Sacramento, Kalifornien geboren. Den Bezug zur Musik legte man ihr quasi mit in die Wiege, sie wurde nach der Lieblingssängerin ihrer Mutter, Sade, benannt. Im Alter von acht Jahren nahm ihr Vater, der selbst ebenfalls Musiker war, sie erstmals mit in sein Homestudio – eine Erfahrung, an die Stunna Girl sich noch bis heute ins kleinste Detail erinnern kann. Als hätte sie nie etwas anderes gemacht, rappte sie damals ihren ersten Song und nahm die dazugehörigen Adlibs auf, und das, obwohl sie bis dahin zwar auf Familienfesten gesungen, nie aber Berührung zu Rap gehabt hatte. In ihrer Kindheit beeinflusste Suzanne besonders der Musikgeschmack ihrer Mutter, der sich vor allem im Oldschool-R&B erstreckte: Sade, Donnell Jones oder Jodeci prägten sie, aber auch Miley Cyrus als Hannah Montana spielte eine nicht unerhebliche Rolle in Suzannes Kindheit. So sehr sie R&B und Pop-Musik zu dieser Zeit auch liebte, im Alter von zwölf Jahren beschloss sie dann doch, auf Rap umzusteigen.
In dieser Phase ihres Lebens, in der Suzanne zu rappen begann, schlichen sich jedoch auch andere Aktivitäten in ihr Umfeld und letztlich auch in ihren Alltag. Angefangen mit gefälschten Ausweisen und kleinen Diebstählen, beging sie mit 13 Jahren ihren ersten Raub und war in damit verbundene Straßenkämpfe verwickelt. Zwei Jahre lang geriet sie immer wieder in derartige Machenschaften, bis das Gericht sie nicht mehr aufgrund ihres jungen Alters laufen lassen konnte. Zwischen ihrem 15. und 18. Lebensjahr verbrachte Suzanne ihre Zeit nicht mehr draußen auf der Straße und im Musikstudio, sondern im Jugendvollzug. Rückblickend erzählt sie in einigen Interviews, dass die Zeit dort, ihr gut getan habe. Das Gefängnis habe sie schnell erwachsen werden lassen und ihr gezeigt, dass es wichtig sei, seinen Träumen nachzueifern anstatt das Leben an sich vorbeiziehen zu lassen.
Sobald Stunna Girl aus der Haft entlassen wurde, nahm sie sich diese Erkenntnis zu Herzen. Nur kurze Zeit nach ihrer Freilassung veröffentlichte sie bereits online diverse Freestyles, 2019 folgte ihr erstes Mixtape „YKWTFGO“ („You know what the fuck goin‘ on“). Die Besonderheit ihrer Musik steckte dabei nie ihren Texten oder den Beats. Sie selbst sagt, sie wähle immer die simpelsten Beats, die ihr eben gefallen würden, und schreibe einfach, was sie sonst sowieso sagen würde. Was aber schon damals hervorstach und es bis heute tut, ist ihre extrovertierte Energie und die dazu passende Stimme, die stellenweise so hoch und quietschig klingt, dass es mehr Memes als Lob über ihre stimmliche Performance im Netz zu finden gibt. Der Hate stelle für sie aber kein Problem dar, wie Stunna Girl selbstbewusst erklärt. Immerhin ist ihre Stimme so ausgefallen und einzigartig, dass man sie unter Tausenden direkt wiedererkennen kann.
Den großen Erfolg erzielte Stunna Girl 2019 mit ihrem Song „Runway“, bei dem es in erster Linie um ihr großes Ego und gutes Aussehen geht. In gewohnt aufgedrehter und quengelnder Manier flexte Stunna Girl für diesen Song nur so vor sich hin. Zunächst blieben die Reaktionen auf den Track aus, doch dann kam der entscheidende Anruf ihrer kleinen Schwester: „Suzanne, du bist überall auf TikTok“, erzählte die Grundschülerin aufgeregt. Stunna Girl war mit TikTok zwar nicht vertraut, reagierte aber trotzdem mit einem lässigen „I told you, I made it“ auf die einflussreiche Nachricht.
Bei der daraus entstandenen Runway-Challenge handelte es sich um Videos, in denen überwiegend junge Frauen (aber auch andere Personen) genau das taten, was Stunna eben auch tat – flexen. Egal ob mit knappen, heißen Outfits oder einer Transition vom zerzausten Bett-Look zum perfekten Make-Up: Unzählige Nutzer:innen präsentierten sich zu Stunna Girls Song, der daraufhin auch auf den Streamingdiensten durch die Decke ging.
Da Stunna Girl mit der Runway-Challenge nicht nur für eine der ersten TikTok-Challenges überhaupt verantwortlich war, sondern auch ihre Streamingzahlen irrational in die Höhe schossen, dauerte es nicht lang, bis die ersten Labels und Managements bei ihr anklopften. Lange Zeit struggelte Stunna mit dem Gedanken, nicht mehr independent machen zu können, worauf sie gerade Lust habe, und stattdessen auf ein Team von Profis hören zu müssen. Nach langer Abwägung der Vor- und Nachteile sowie der Erkenntnis, dass ein Labeldeal ihr aber wohl am ehesten zu Erfolg verhelfen könne, entschied sie sich doch für eine Zusammenarbeit mit Epic Records.
Zuletzt veröffentlichte Stunna Girl 2021 ihr Album „STUNNA THIS STUNNA THAT“, das allerdings nicht ansatzweise so viel Aufmerksamkeit erregte wie ihr TikTok-Hit. Ihre Ambitionen bleiben aber auch in die Zukunft gerichtet groß: „I am going to be the next biggest artists of all time“, sagte sie beim XXL Mag im Interview. Ihre Streamingzahlen lassen momentan zwar eher nach und unter ihren erfolgreichsten Videos sammeln sich mehr spöttische als ernstgemeinte Kommentare, doch was noch nicht ist, kann ja noch werden. Stunna Girl weiß definitiv, wie sie polarisieren kann, und dank „Runway“ auch, wie sich der Ruhm zumindest für den Moment anfühlt. Ob sie diese Erfahrung in der Zukunft für den nächsten großen Hit noch einmal nutzen kann, wird sich sicherlich bald zeigen.